Immer wieder ein schöner Moment, wenn ein neues Mag das Licht der Welt erblickt. Und weil die Welt so klein und schön ist, standen wir auf einmal mit dem Macher des SEISMOGRAFFITI auf einem Schotterplatz ganz bei uns in der Nähe... und die Geschichte bzw. die Idee zum Interview nahm seinen Lauf. Das SEISMOGRAFFITI reist ab jetzt mit auf unserer Pixadores Kino-Tour und kann dort gegen einen schmalen Taler bei uns erworben werden.
Nun aber ans Material:
Wenn
du magst, zu Beginn ein paar Worte zu dir?!
Hallo,
ich bin Pokedexer. Das heißt, jetzt gerade bin ich es, wenn ich male
bin ich wer anders, wenn ich rappe auch und privat natürlich eh
usw... Der Mensch ist ein Konglomerat aus Alter Egos, die er sich
erschaffen hat oder aufgezwungen bekam. Das gefällt mir. Der
Gräff-Forscher, Style Writing Doktor und Archivar meines Ich's, is
called Pokedexer!
Woher
kommt die Idee, ein eigenes Mag auf die Beine zu stellen?
Die
Idee kommt daher, dass es ein fläshiges Gefühl ist, ein Buch
komprimierten Wissens in der Hand zu halten und aufzusaugen. Im
praktischen Sinne lehrten mich gewisse Bücher nicht nur eine Menge
über die Essenz von Style, sondern gaben mir auch den kollektiven
Gedanken davon zu verstehen. Die unterschiedlichen Charaktere und
ihre crazy Visionen, alle einzigartig und getriggert durch den
Austausch, zusammen in einem Medium: Buch, Ausstellung, Wand oder was
auch immer, ergeben eine Sprengkraft, welche die Bewegung ins Rollen
bringt.
SEISMOGRAFFITI
ist der Titel deines Magazins, was meinst du damit und, wie würdest
du es charakterisieren?
Menschen
hinterlassen durch ihre Taten Spuren in der Umwelt. Graffiti Writing
macht daraus eine Kunst und Kultur, die Spur selbst wird zum Objekt.
Seismografieren ist ein Verzeichnen von Spannungen. Ich finde, gerade
in Bezug zum Sketchen passt das einfach.
Was
fasziniert dich am Sketchen?
Paktisch
gesehen ist es eine Trockenübung mit dem Vorteil, alles im Blick
haben zu können. An der Wand ist das nicht möglich. Desweiteren ist
Sketchen für mich wie Tagebuch schreiben. Die Gedanken rauschen
durch den Kopf und ich verinnerliche mich mir selbst. Das Ergebnis
dieses Zustandes der Selbstkonfrontation ist der Sketch, eigentlich
nur ein Bruchteil von dem was im Inneren der AutorIn stattfand. Aber
dieses mystische Konstrukt aus puren Linien hat es in sich! Der
schwarz weiß sketch lügt nicht!
Du
bringst Sketches und Texte zusammen, warum?
Sketchen
ist etwas sehr Privates. Wer würde nicht gerne mal die Sketches der
eigenen Idole zu Gesicht bekommen wollen? Dazu die Gedanken der Leute
verschriftlicht lesen zu dürfen, ist ein intimer Einblick in ihr
Werk und ihre Schaffensweise. Die Texte möchten weder
vervollständigen, noch entmystifizieren, sie sind das Tor zu einer
erneuten Auseinandersetzung. Heraus kamen Liebeserklärungen,
Analysen, Zitate, Witze, Kritiken, Gedichte u.s.w... Graffiti Writing
ist kein rein visuelles Phänomen; es ist für viele zur universellen
Lebensphilosophie geworden. Mich langweilt diese monotone Bilderflut.
Proklamiert Graffiti nicht, ständig Grenzen zu überschreiten?
Lässt
sich SEISMOGRAFFITI auch als Diskussionsbeitrag hinsichtlich einer
theoretischen Auseinandersetzung mit Graffiti / Style Writing
verstehen und lesen?
Die
Texte selbst könnten teils als Einstieg dafür dienen, ich denke
schon. Manche haben dies ja auch direkt angesprochen. Auf grafischem
Niveau tun dies die Sketches natürlich ebenso. In erster Linie ist
es meiner Meinung nach aber die Diversität der Akteure. Das Buch
vereint AktivistInnen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten
und genau das ist der Coup.
Wer will eine Style-Monokultur?
Wo
hast du dein Magazin produzieren lassen und wie finanzierst du
es?
Puh,
also das ganze Ding ist DIY aus dem Boden gestampft. Ich habe die
Aufrufe gestartet, dem verplanten Haufen etliche Nachrichten
hinterhergeschleudert. Auch dem Layout habe ich mich, ohne großartige
Vorkenntnisse, angenommen. Das Buch ist in einer duften
Hochschuldruckerei offset gedruckt worden. PROPZ!* Die Blätter
wurden einzeln in Teamarbeit zusammengelegt. Ich hatte vor, es mit
UnterstützerInnen selbst zu binden, habe mich aber spontan dagegen
entschieden. Zur Finanzierung bin ich privat in Vorkasse gegangen.
(Kostet so viel wie nen Bu§t.)
Ziel ist es, die Druckkosten
wieder rein zu kriegen und bestenfalls das nächste Ding
vorzufinanzieren, um autark an die Sache rangehen zu können.
Wie
findet man das SEISMOGRAFFITI aka, wie kommt man an den heißen
Schinken ran?
Da
sprichst du einen wunden Punkt an :-D Also glücklicherweise auf der
Pixadores Filmtournee von ROTZFRECH CINEMA! Danke dafür! Ansonsten
verschacher ich die Exemplare privat auf Konzerten oder
Ausstellungen. Kommt vorbei am 29. November in die Klappe
(Mehringdamm/ Berlin). So einen richtigen Anlaufpunkt gibt es leider
noch nicht :-(
sorry, wer Ideen hat, gerne her damit! Ansonsten
gerne melden unter:
graffitiarchiv-halle@riseup.net
Die
letzten Worte gehören dir:
Natürlich
möchte ich mich bei allen Unterstützern bedanken! Danke Leute -
ohne den starken Support wäre das nie klar gegangen! Einfach ein
cooles Gefühl, wenn man sich auf Leute verlassen kann!
Ich kann
nur allen wärmstens ans Herz legen, nicht ewig auf die Veränderung,
die man sich wünscht zu warten, sondern es selber in die Hand zu
nehmen. Habt Mut, vernetzt euch, bleibt unabhängig! Lasst euch nicht
entmutigen und natürlich: verliert nie den Spaß daran! YO!